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Montag, 15. Februar 2016 um 20:29 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

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Politik

„‚Kehrt um!‚“ (Zeit Online, 3. November 2015): Ja, natürlich geht es in dem Artikel um Flüchtlinge. Und um die Ohnmacht, die vermutlich Viele empfinden in diesen Zeiten. Vielleicht nicht so extrem wie die NDR-Reporterin Alena Jabarine, die an der Slowenischen Grenze auf einmal Vermittlerin spielen musste zwischen den überforderten Politikern und den verzweifelten Flüchtlingen. Vermutlich seit langem habe ich nicht mehr eine so beklemmende Reportage gelesen. Dass aber auch mit einem eher leichten Ton geschriebene Geschichten (mit so etwas ähnlichem wie einem Happy End) durchaus lesenswert (und um so wichtiger sind), zeigen die beiden Reportagen „Fremdemzimmer“ (Der Spiegel, 4. Juli) und „Wir holen dich da raus“ (SZ Magazin, Heft 45/2015) – nicht zuletzt, weil sie zeigen, wie ähnlich die Menschen trotz aller Unterschiede sind.

Wirtschaft

Hausgeträumt“ (Zeit Online, 4. Januar 2016): Ganz ehrlich: Ich plane nicht, mir ein Haus zu kaufen. Und seit ich Mark Schieritz‘ Artikel über seinen Hauskauf gelesen habe, noch weniger. Dabei beginnt er beim Fliesenkauf und kommt über Wissenschaftler, Groß- und Kleinstädte, Gentrifizierung und Geldanlage irgendwann zum US-Milliardär Warren Buffett und „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.

Feuilleton

Das letzte verzweifelte Schwanz-Rausholen“ (Süddeutsche.de, 5. Oktober 2015): Stefanie Sargnagel mag Wanda nicht. Und auch das neue Album „Bussi“ der Österreicher nicht. Und doch: „Nach sieben Bier tanzt sogar mein Freund Witzmann nackt durch die Wohnung und schreit ‚Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön bei dir!‘, und ich bettel drum, nur noch einmal das Lied mit den Schwestern zu hören, um mich betrunken am Küchenboden zu wälzen.“

Gesellschaft

Alien“ (als „Oh boy, the Germans“ in der SZ, 17. Oktober 2015): Peter Richter lebt in den USA. Und ist dort, wenige Tage nach Bekanntwerden des VW-Skandals, mit Vandalismus an seinem Auto konfrontiert. „Eine Attacke von germanophoben Umweltschützern?“, fragt sich der Journalist. Und nähert sich nach und nach der Geschichte nicht nur deutscher Migranten in der ehemals drittgrößten deutschen Stadt der Welt an.

Sport

Falsche Fans“ (RN Online): Meine ehemaligen Kollegen Nils Lindenstrauß und Björn Althoff haben sich in der vergangenen Sommerpause damit beschäftigt, wo die Trikots eigentlich herkommen. Also die gefälschten, die für 15 Euro und weniger. Natürlich alles mit einem Blick auf den BVB (obwohl zumindest Björn Schalke-Fan ist), aber das ist bei einer Dortmunder Zeitung durchaus verständlich. Auf jedenfall lesens- und sehenswert – ist nämlich eine Multimedia-Reportage (und als eine der wenigen im genau richtigen Maße multimedial).

Reise

Berge des Wahnsinns“ (Die Zeit, 25. Dezember 2014): Tina Uebel ist vermutlich eine schlechte Gonzo-Journalistin. Denn ganz ohne Drogenkonsum beschreibt sie wie im Rausch die Felsformationen des Ennedi-Massivs im Tschad: „’Tschuldigung, ich muss grad mal die Wüstenspringmaus geben. […] Am Horizont zur linken zwei konische Salz-und-Pfeffer-Streuer in Göttergröße, zur rechten ein Kastell, schwebend.“ Wieso das so ist, steht schon in den ersten beiden Sätzen: „Gott muss LSD genommen haben. Am siebenten Tage der Schöpfung schmiss er gen Abend eine Handvoll Trips ein und stellte dann, zur späten Stunde, noch das Ennedi hin.“


Ich bin einer von 806

Dienstag, 2. Februar 2016 um 21:54 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

Kranhäuser Köln

Genau 806 Kölner gibt es, die – wie ich – in Unna geboren sind. Beziehungsweise gab es Ende 2014 laut der Stadt Köln.1 Die hatte, nachdem ich einen entsprechenden Artikel auf der Webseite der Berliner Morgenpost2 gelesen hatte, (vermutlich) auf meine Anfrage hin dankenswerterweise die Daten veröffentlicht.

Heute habe ich es endlich mal geschafft, ein bisschen mit den Daten herumzuspielen. So ist, wenig überraschend, eine von Kölns Nachbarstädten die häufigste Heimatstadt der „Imis„: Aus Bergisch Gladbach kommen gebürtig genau 24.582 Kölner, mehr als doppelt so viele wie aus der zweithäufigsten Heimatstadt Bonn (12.265) oder aus ganz Italien (12.078) oder Russland (11.922). (Weil die Stadt für im Ausland geborene Menschen nur das Geburtsland angibt, liegen die Türkei und Polen mit gut 49.000 bzw. 41.000 Kölnern noch weiter vorne.) Auch im Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und nach Köln gezogenen liegt Bergisch-Gladbach relativ weit vorne: Auf alle viereinhalb Bergisch-Gladbacher (insgesamt gab es laut statistischem Bundesamt zum 31.12.2014 knapp 110.000) kommt ein nach Köln „ausgewanderter“. Zum Vergleich: In Bonn kommt ein nach Köln ausgewanderter auf 25 1/2 Bonner.3

Auf einer Karte sieht das ganze dann übrigens so aus:4

In den Daten der Stadt enthalten ist übrigens auch die Zahl derer, die aus einer bestimmten Stadt nach Köln gezogen sind. Bei mir zum Beispiel wäre das Dortmund, schließlich hatte ich da die Jahre 2013 und 2014 gewohnt. Allerdings gibt es hier einen – zumindest auf den ersten Blick – überraschenden „Sieger“: Meine Heimatstadt Unna. Das scheint, so „Offene Daten Köln“ bei Twitter, kein Fehler zu sein, sondern dürfte vielmehr an der Landesstelle Unna-Massen liegen. Denn dort wurden Jahrzehntelang (bis 2009) Spätaussiedler, jüdische Emigranten, andere Zuwanderer und Flüchtlinge, wie Wikipedia weiß, registriert und betreut, bevor sie in andere Städte weitergeleitet wurden. Und seit 2012 sind in der Landesstelle Flüchtlinge untergebracht. Und augenscheinlich wohnen tausende davon nun in Unna.

Die Daten hat die Stadt Köln unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 DE-Lizenz veröffentlicht, deshalb sind die Daten hinter meiner Karte unter der selben Lizenz. Und: Props natürlich an das Team der Berliner Morgenpost um Julius Tröger für die Berlin-Story – und an Offene Daten Köln für die Daten und die Erklärungen auf Twitter.


  1. Dass ich also strenggenommen in den 806 Menschen gar nicht mitgezählt bin, weil ich erst Anfang Februar 2015 nach Köln gezogen bin, lasse ich jetzt einmal außen vor. 

  2. wo sonst 

  3. Umzüge in die andere Richtung und aus anderen Städten sind nicht mitgerechnet. 

  4. Leider hat das Zusammenfügen der verschiedenen Datenquellen nicht ohne weiteres geklappt, weshalb hier jetzt das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Kölnern fehlt. Liefer ich aber – hoffentlich – noch nach. Und schöner mache ich die Karte dann auch noch. 


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Junge Leute lesen kaum noch Zeitung. So einfach ist das. Das wird sich wohl auch nicht mehr ändern, auch wenn sich das manch ein Verleger und viele Journalisten wünschen. Und die jetzt jungen werden auch nicht irgendwann anfangen, regelmäßig Zeitung zu lesen. Zumindest nicht in Massen.

So weit, so einfach, so bekannt. Es gibt ja das Internet. Da ist die Jugend unterwegs. Die Generation Y, die Generation Z, die Generation Hashtag. Wer auch immer das sein soll. Aber selbst dort ist sie schwer zu erreichen. Ihre Infos holen sich die jungen Menschen nämlich nicht mehr ausschließlich bei den großen Medienmarken, sondern auf Youtube, Facebook oder wo auch immer. Für die traditionellen Medienmacher eine verlorene Generation. Zumindest in der Theorie.

Und was macht man dann? Man startet eine eigene Seite, die sich an die Jugend richtet. Oder gleich eine ganze Zeitung, deren Werbeslogan schon eine Beleidigung der Zielgruppe ist, und die nach kürzester Zeit wieder eingestampft wird.

Und da sich die Jugend heutzutage ja nicht mehr konzentrieren kann – ihr wisst schon: Messengernachrichten statt seitenlanger Briefe und Listicles statt dicker Wälzer – bietet man ihnen statt Nachrichten lediglich eine schlechte Buzzfeed-Kopie. Dass die Spiegel-Tochter Bento ein „Portal für Babos“ ist, wie es kurz nach dem Start hieß, ist vielleicht etwas übertrieben. Aber die Stories auf der Seite deuten eher selten darauf hin, dass da jemand lange recherchiert hat (und damit meine ich ausnahmsweise nicht googlen). Wobei: Ins Redigat ist die Zeit auch nicht geflossen.

Das Schlimme ist ja, dass Bento vielleicht noch eine der besser gemachten Jugendseiten ist. Zumindest die mit den relevantesten Stories. Das sind meistens die, die auf der Spiegel-Online-Startseite auftauchen und die jungen Leser, die kein Bento brauchen, dorthin holen (oder so). B.You von der Bild und wie sie alle heißen sind ja noch schlimmer.

Nur ein Gegenbeispiel gibt es noch: jetzt.de. Ursprünglich Beilage der Süddeutschen Zeitung, aus der nach der Einstellung die Neon entstand. Und seit Jahren ein Online-Magazin mit angeschlossener Community und regelmäßiger Zeitungsbeilage. Vielleicht nicht der große Wurf. Aber immerhin ein Medium, das seine Leser ernst nimmt. Die, die ernste Artikel suchen und die, die nur mal kurz entspannen wollen.

Die anderen wollen stattdessen wie Buzzfeed sein. Die revolutionieren jetzt sogar mit Kreuzworträtseln eine der letzten Print-Bastionen. Oder immerhin wie die Vice. Aber trotz aller Versuche sind sie halt nicht so cool(TM) wie die Kollegen dort.

Statt etwas Eigenes zu machen, vielleicht auch einmal neue Wege zu gehen, bleiben sie so meist schlechte Kopien.

Aber vielleicht hoffentlich gehöre ich auch gar nicht mehr zur „Generation Hashtag“. Eines habe ich mit den jungen Leuten (darf ich das mit noch nicht einmal 30 überhaupt schon sagen?) allerdings: Ich komme ganz gut ohne die Jugend-Angebote der großen Verlage aus.

Bei mir steht allerdings weniger YouTube auf dem Programm, dafür die Originale, die Bento und Co. meist mehr schlecht als recht kopieren. Traditionelle Nachrichtenseiten wie Spiegel Online. Und


Wie man (vielleicht) Musik verkauft

Donnerstag, 24. September 2015 um 21:43 Uhr; Kategorie Linking und Thinking. Keine Kommentare.

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Musik ist wertlos – das ist die These von The-Indelicates-Sänger Simon Indelicate1 in seinem doch recht langen, aber absolut lesenswerten Text „Why Your Music Is Worthless (And How To Sell It Anyway))„. Nach ein paar Beleidigungen und Beschimpfungen gegenüber dem Leser, anderen Bands und Musikjournalisten, erklärt er, was er meint. So sei Musik, die bereits existiert, wertlos, weil sie eben da sei. Das hat mit Angebot und Nachfrage, Fix- und variablen Kosten zu tun, und klingt für mich als nicht-BWLer relativ plausibel (wenn auch vermutlich nicht 100%ig wissenschaftlich korrekt). Doch einen Weg gibt es, trotzdem Musik zu verkaufen:

People value music that they are personally connected to and such music is scarce – therefore it is not worthless.

Das kann, so Simon, unter anderem durch Crowdfunding passieren.2

Wo das Plattenverkaufen aber manchmal eben auch funktioniert, dürften die Konzerte sein. Ich weiß zwar nicht, wie viel die Bands an einem Konzertabend verkaufen, den Schlangen am Merch-Stand bei so manchem Konzert (und den Aussagen diverser Bands am Ende ihrer Tour) nach zu urteilen, dürfte die Zahl zum Teil nicht unerheblich sein.

Allerdings funktioniert eine Sache nicht: Im Herbst ein Konzert spielen und dabei die Leute heißmachen auf ein Album, das erst im Frühjahr erscheint.3 Denn wenn die Leute das Album wirklich gut finden, dann wollen sie es haben. Und zwar sofort. Dirk von Gehlen hat das in einem minimal anderen Kontext vor ein paar Monaten auch schon einmal aufgeschrieben.

Denn insbesondere wenn man eine relativ unbekannte Band ist, weiß im Februar keiner. der im September auf dem Konzert war, mehr, dass das neue Album rauskommt. Ich habe von der Vorband auf dem Konzert, auf dem ich gestern war, heute schon den Namen ergooglen müssen, weil ich noch einmal reinhören wollte. Würde ich es hier jetzt nicht niederschreiben, wüsste ich vermutlich in ein paar Monaten nicht mehr, dass Folly and the Hunter in ein paar Monaten ein neues Album veröffentlichen – obwohl mir die Musik eigentlich ziemlich gut gefallen hat.4

Worauf ich hinaus will: Wieso gab es zum Beispiel nicht die Möglichkeit, das Album vorzubestellen – oder gleich Crowd-zu-funden5? Denn nicht jeder schreibt ein Blog. Die mögliche Folge beschreibt Dirk von Gehlen:

Ich bin interessiert, ich mag das Produkt, ich würde es kaufen. Was mehr kann man verlangen? Was mehr kann bis zum 22. August passieren als das: Ich werde das vermutlich tolle Album vergessen.

Noch ein Hinweis zu Simon Indelicates Text. Der liefert die vermutlich beste Beschreibung und Erklärung, warum Crowdfunding funktioniert:

 You remember that your fixed costs were what it cost you to make the first one of something and the marginal costs were what it cost to make the second? And that it was an unbreakable rule that no one cared about your fixed costs?

Crowdfunding works because it breaks that rule.

Because you are not selling a product but the opportunity to live in a world where that product exists – you have performed the impossible feat of moving all of your fixed costs into the marginal costs column.

Suddenly, the cost of the second item is the same as the first, because if you don’t sell both, then neither will be made.

Der Text ist also vermutlich nicht nur für ambitionierte Musiker, sondern auch für alle anderen Medien- und Kulturschaffenden interessant.


  1. Den ich für die Rückseite auch schon über die Monarchie ausgefragt habe 

  2. Darüber habe ich mit ihm und seiner Bandkollegin Julia schon vor Jahren mal für Indiestreber gesprochen

  3. Also es funktioniert schon. Nur die CD verkauft man so vermutlich nicht. 

  4. Ich werde mir das Album vermutlich trotzdem nicht kaufen, weil die Musik auf Platte nicht so gut funktioniert wie live. Aber das ist ein anderes Thema. 

  5. Gibt es dieses Verb? 


#twitterwirkt (zumindest ein bisschen)

Donnerstag, 10. September 2015 um 20:30 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

Jede Woche twittert die Redaktion des Magazins der Süddeutschen Zeitung, was es in der aktuellen Ausgabe zu lesen gibt. Auch vor zwei Wochen.

In der Woche waren gleich mehrere Sachen dabei, die mich interessiert haben. Und zwar so sehr, dass ich mir die Ausgabe gekauft hatte. Schließlich war ich Samstags auch noch eine Stunde unterwegs mit dem öffentlichen Nahverkehr.

So hatte ich also die Süddeutsche Zeitung vom 30. August samt SZ Magazin. Gelesen habe ich gedruckt allerdings nur ein paar wenige Artikel – und zwar erst in dieser Woche, als mir einfiel, dass da ja noch was war. Denn das – übrigens durchaus empfehlenswerte Interview mit Martin Mosebach und Navid Kermani gibt’s ja auch online.

(Dieser Text ist ein Update zu diesem Text von vor gut drei Jahren – wobei auch mir nicht klar ist, was das alles jetzt zu bedeuten hat.)


Der bessere Liveticker

Sonntag, 29. März 2015 um 17:24 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

Über die Medienberichterstattung zum Absturz der Germanwings-Maschine am Dienstag ist viel geschrieben worden – da brauche ich nichts mehr hinzuzufügen. Auch wenn ich mehrfach diese Woche – pardon – das kalte Kotzen bekommen habe und mich manchmal für meinen Beruf geschämt habe.1 Und immerhin 30 Prozent der Deutschen fanden die Berichterstattung unangemessen.

Manche Medien, wie auch Mats Schönauer in einem lesenswerten Beitrag für das BildBlog schreibt, haben aber auch einen guten Job gemacht. Besonders positiv aufgefallen sind mir dabei die „Was wir wissen – und was noch nicht“-Artikel. Sueddeutsche.de hatte so einen, die New York Times so etwas etwas ähnliches und auch die dpa hat seinen Kunden so etwas geliefert (siehe zum Beispiel bei den Ruhr Nachrichten.)2

Ich mag diese Art von Artikeln. Denn sie ist zum einen schnell – Informationen können in wenigen Sätzen zusammengefasst werden, bei einer sich verändernden Nachrichtenlage können die eher kurzen Splitter schnell editiert werden, ohne gleich einen ganzen Text umformulieren zu müssen. Zum anderen sind sie für den Leser übersichtlich – man sieht auf einen Blick, was wichtig ist, um mitzureden, aber auch, was eben noch nicht feststeht.

Vor allem aber ist ein solches Format ehrlich: Journalisten wissen eben auch nicht alles, vor allem nicht sofort. Und gerade nach dem Flugzeugabsturz am Dienstag wurde genau aus diesem Grund viel zu schnell viel zu viel spekuliert, weshalb es zu dem Absturz kam. Für solche Spekulationen ist in einem „Was wir wissen – und was noch nicht“ ganz einfach keinen Platz.

Ich bin der festen Überzeugung, solche Artikel könnten die besseren Liveticker sein. Vielleicht noch ergänzt mit einer Möglichkeit, automatisiert auf Punkte aufmerksam zu machen, die seit dem letzten Besuch von der „Was wir noch nicht wissen“-Liste auf die „Was wir wissen“-Liste gewandert ist oder komplett neu aufgenommen wurde.

Übrigens dürfte eine solche immer wieder aktualisierte Liste auch zur Leserbindung beitragen. Denn schreit nicht ein Punkt auf der „Was wir noch nicht wissen“-Seite gerade: „Komm wieder, denn bald wissen wir es bestimmt!“?


  1. Ob ich wirklich noch Journalist bin, ist eine andere Frage. Ich verstehe mich auf jeden Fall noch als einer. 

  2. Ich meine das noch wesentlich häufiger gesehen zu haben, finde die Links aber nicht mehr. 


Die beste aller Zeiten

Mittwoch, 7. Januar 2015 um 10:08 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

„A quick recap of the week: Everything is still fucked.“ Zumindest sinngemäß beginnt so gefühlt jede zweite Folge von „Last Week Tonight“, der vielleicht besten Comedy- und Nachrichtensendung, die es momentan gibt. Ebola, IS, Pegida: Das Jahr 2014 brachte jede Menge schlechte Nachrichten. Dazu kommt: Witze lassen sich eben am besten über das machen, was schlecht ist. Und kritisiert gehört.

Wie kommt also Ex-FAZ-Feuilletonchef und jetzt Europa-Kulturkorrespondent Nils Minkmar dazu, unter der Überschrift „Unser Glück“1 darüber zu schreiben, „dass das Jahr 2014 das beste aller Jahre war – und dass 2015 nicht schlechter wird?“ Ganz einfach: Weil es stimmt. Und weil es eigentlich offensichtlich ist. Vielleicht zu offensichtlich.

Älter, reicher, sicherer

In seinem Text liefert Minkmar schon einige Beispiele, woran festzumachen ist: Fast alle Krankheiten befinden sich auf dem Rückzug, die Rechte von Minderheiten haben sich fast überall auf der Welt (bei sicherlich noch bestehendem Verbesserungsbedarf, keine Frage) in einem Maße verbessert, der noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre. Selbst die Kriminalität ist in fast allen Kategorien gesunken. Die Lebenserwartung ist weltweit gestiegen – selbst in den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde werden die Leute heute älter als hierzulande vor 200 Jahren.

Noch mehr Beispiele, wieso wir uns eigentlich freuen sollten über die Zeit, in der wir leben, liefert unter anderem vox.com: Weniger Hunger auf der Welt, weniger Kinderarbeit, weniger Armut. Und vieles mehr. Auch an anderer Stelle in der FAS vom Wochenende wird man fündig. So findet sich im Politikteil die Information, dass es in Deutschland immer weniger Verkehrsunfälle und weniger Tote gibt.2

Uns geht es gut!

Hans Rosling, schwedischer Professor für internationale Gesundheit, den der Spiegel vor ein paar Monaten mal porträtierte, liefert ebenfalls Daten zum erfreulichen Zustand der Welt:

Die Liste könnte man noch ewig fortführen. So sind die Menschen in fast allen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten intelligenter geworden (Flynn-Effekt), und dank Internet im Zweifelsfall auch besser informiert.3

Uns geht es also allen verfügbaren Daten zufolge ziemlich gut. Auf der ganzen Welt – und ganz besonders in Deutschland. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde und wie kein zweites durch die diversen Eurokrisen der vergangenen Jahre gekommen.4

Wann war früher alles besser?

Uns geht es gut – und doch glauben nicht wenige, dass früher alles besser war. Wann dieses Früher gewesen sein soll? Keine Ahnung. In den 90ern? Also zur Zeit des Völkermordes in Ruanda und der Jugoslawienkriege? Den 80ern – als in weiten Teilen Osteuropas Demokratie noch ein Fremdwort war? Oder doch schon im 18. oder 19. Jahrhundert, als man fast überall auf der Welt noch den Launen seines Fürsten ausgeliefert war, aber zum Glück auch nicht zu alt wurde?5

Wenn es uns aber so gut geht, wieso sind wir so unzufrieden? Auch, weil die Medien es so vorleben. „Bad news sell“, wird Hans Roslings Ehefrau Anna im Spiegel zitiert. Und: „Man kann auf einem langen Zeitstrahl, der insgesamt positiv verläuft, lauter negative Ereignisse isolieren. So gehen Medien vor.“ Damit hat Anna Rosling nicht ganz Unrecht. Der Nachrichtenfaktor „Negativität“ ist in der Praxis oft einer der stärksten. Negative Berichte wirken fast automatisch seriöser und wichtiger als positive. Das führt dann dazu, dass etwas wie die World-Press-Foto-Ausstellung zu einem alljährlichen „Worst of“ der Krisen und Katastrophen der Welt wird. Dass die Ärzte mit der Zeile „Die Tagesschau ist nicht mein Fall – nichts als Mord und Massensterben überall“ auch heute noch Recht behalten. Und dass wir uns fühlen, als lebten wir in der Hölle.

Die Lösung? Gibt es nicht. Aber man sollte sich dann doch manchmal einfach bewusst machen, welches Glück wir haben, im Heute zu leben. Und vermutlich auch in der Zukunft.


  1. Der Artikel ist leider noch nicht online. 

  2. Auch der Text ist (noch?) nicht Online. Die Info findet sich aber auch an anderer Stelle

  3. Darauf werde ich an anderer Stelle demnächst nochmal eingehen. 

  4. Dass das auch auf Kosten der südeuropäischen Krisenländer passierte, ist ein anderes Thema. 

  5. Mehr Jahre, in denen man nicht hätte leben wollen, beim Guardian und beim Atlantic


Auf ein Neues

Freitag, 2. Januar 2015 um 15:12 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

DSC_5236Neues Jahr, neuer Job, neues Blog.

Das hier ist nicht mein erstes Blog. Das gab es schon vor acht Jahren. Meine erste Homepage sogar noch viel eher. Vor 15 Jahren, glaub ich.

Aber all das schlief ein. Irgendwann. Weil ich keine Zeit mehr hatte. Weil ich andere Dinge machte. Zum Beispiel ein Musikblog. Oder ein Webmagazin. Meine Magisterarbeit. Ein Volontariat. Facebook. Twitter. Was weiß ich.

Trotzdem: Seit Monaten kommt es immer wieder vor, dass ich denke: Das müsstest du jetzt bloggen. Wenn du ein Blog hättest. Für Twitter zu lang, für Facebook zu kompliziert, für den Job zu persönlich.

Und deshalb starte ich hiermit, kurz nach dem Ende meines Volontariats beim Medienhaus Lensing (Ruhr Nachrichten, Dorstener Zeitung) und kurz vor Beginn meines neuen Jobs (dazu später mehr) einen neuen Blogversuch.

Euch, verehrte Leser, und mir selbst wünsche ich viel Spaß dabei.