Politik
Der letzte Europäer (Der Spiegel, 11. Juli): Als ich diese Andere-Seiten-Ausgabe vorbereitet habe, standen hier unter anderem ein wunderbarer Kommentar von Daniel Erk zu den Rechten Übergriffen auf Flüchtlingsheime (Im Land der Angsthasen, Zeit Online, 3. September), ein Tsipras-Porträt von Constantin Seibt (Der Raser, Tages-Anzeiger, 9. Juli) und ein Text darüber, was passieren würde, wenn die Troika nach Berlin käme (Spiegel Online, 19. August). Aber dann habe ich heute diese Reportage, die im Sommer im gedruckten Spiegel erschienen ist gelesen. Und diese Mischung aus Roadmovie, potentieller Aufstiegs-Story und ungläubigem Staunen, dass das alles in Europa passiert, hat mich schwer begeistert. Eine Kostprobe: „Talic findet es richtig, was die Deutschen machen, auch wenn er selbst alle ihre Regeln bricht […] Es ändere nichts daran, dass die Deutschen recht hätten, sagt Talic, im Prinzip. Aber er, Talic, müsse gegen ihre Gesetze verstoßen, damit sich das alles halbwegs lohne.“
Wirtschaft
Consider the Can (The Big Roundtable, 9. Juni 2014): Seit mittlerweile weit über zehn Jahren gibt es in Deutschland Dosenpfand. Und auch in mehreren US-amerikanischen Staaten gibt es das. Robert W. Fieseler beschreibt in seiner ausführlichen Reportage das mitunter komplexe, aber für alle Beteiligten (und eigentlich auch die Unbeteiligten) vorteilhafte System. Schließlich gehört recyceltes Aluminium zu den umfeldfreundlicheren Materialien: „According to Aluminum Association figures, 68 percent of the cans we hold today are made of recycled metal. As an elemental material, sitting on the third row of the periodic table, aluminum cannot decompose into smaller parts. Each can thus faces two paths in its lifespan: to continue on indefinitely in its present form or be reincarnated, regenerated brand new, like Dr. Who, at any period in its existence.“ (Und wohl nicht nur deshalb wird die Dose auch bei Craft-Beer-Brauern in den USA wieder beliebter.
Feuilleton
The Most Timeless Songs of All-Time (Polygraph, 21. August): Kein Scherz: No Diggity von Blackstreet gehört zu den zeitlosesten 90er-Songs, genau wie Oasis‘ Wonderwall oder Iris von den Goo Goo Dolls – allerdings weit entfernt von Smells Like Teen Spirit. Zumindest, wenn man von Spotify-Daten ausgeht. Die hat Matt Daniels ausgewertet und kommt dabei zu interessanten, aber plausiblen Ergebnissen – auch wenn in der Auswertung früherer Jahrzehnte die Beatles, die es auf Spotify nicht gibt, fehlen.
Gesellschaft
The Cold War (Epic Magazine, September): Eigentlich war Dennis Roeper Eisverkäufer geworden, um regelmäßig Kinder lachen zu sehen. Doch dann kam Efrain Escobar und der Kampf um das Kinderlachen von Salem, Oregon begann. Und obwohl Roeper dadurch, dass er mehrere Fahrer beschäftigt, im Vorteil ist, kommt irgendwann der Punkt, an dem auch er sich fragt, ob es noch ums Geschäft geht und ob es das alles wert ist: „Yet Dennis’ tactical success was a pyrrhic victory: one ice cream truck driver chasing another, alarming kids, and losing money in the process. What would happen when Efrain showed up again — another vehicular Gang Bang in front of children?“
Sport
Die absurde Regionalliga (11 Freunde, 27.9.): Die deutsche Regionalliga ist – zumindest seit der Einführung der eingleisigen dritten Liga – eine seltsame Veranstaltung. Da soll der Dorfverein auf einmal gegen Rot-Weiß Essen spielen und natürlich die passende Infrastruktur bereitstellen. Und dann ist die Chance, durch das Nadelöhr in den Profibereich zu kommen, auch noch so klein wie wohl nirgendwo sonst in Europa. Kein Wunder, dass manches Team freiwillig auf den Aufstieg verzichtet, denn: „Es ist eine schöne Liga. Du darfst nur nicht drin bleiben.“ (Toll vor allem wegen der Fotos ist die Campingplatz-Reportage „Alles Eins„, ursprünglich erschienen im 11Freunde Bundesliga-Sonderheft.)
Technik
What is Code (Bloomberg BusinessWeek, 11. Juni): Aufwendig designt (auch wenn es bei mir auf dem Tablet aus irgendeinem Grund nicht fehlerfrei lief), noch aufwendiger geschrieben, und ebenso aufwendig – aber absolut lesenswert – zu lesen: Paul Ford hat für die Business Week in 38.000 Worten aufgeschrieben, was man über das Programmieren wissen muss. Er fängt ganz vorne an („How to type an A“) und kommt dann irgendwann dort an, wo auch ich nicht alles verstehe. Denn: „If coders don’t run the world, they run the things that run the world.“