Andere Seiten 1/2016

Montag, 15. Februar 2016 um 20:29 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

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Politik

„‚Kehrt um!‚“ (Zeit Online, 3. November 2015): Ja, natürlich geht es in dem Artikel um Flüchtlinge. Und um die Ohnmacht, die vermutlich Viele empfinden in diesen Zeiten. Vielleicht nicht so extrem wie die NDR-Reporterin Alena Jabarine, die an der Slowenischen Grenze auf einmal Vermittlerin spielen musste zwischen den überforderten Politikern und den verzweifelten Flüchtlingen. Vermutlich seit langem habe ich nicht mehr eine so beklemmende Reportage gelesen. Dass aber auch mit einem eher leichten Ton geschriebene Geschichten (mit so etwas ähnlichem wie einem Happy End) durchaus lesenswert (und um so wichtiger sind), zeigen die beiden Reportagen „Fremdemzimmer“ (Der Spiegel, 4. Juli) und „Wir holen dich da raus“ (SZ Magazin, Heft 45/2015) – nicht zuletzt, weil sie zeigen, wie ähnlich die Menschen trotz aller Unterschiede sind.

Wirtschaft

Hausgeträumt“ (Zeit Online, 4. Januar 2016): Ganz ehrlich: Ich plane nicht, mir ein Haus zu kaufen. Und seit ich Mark Schieritz‘ Artikel über seinen Hauskauf gelesen habe, noch weniger. Dabei beginnt er beim Fliesenkauf und kommt über Wissenschaftler, Groß- und Kleinstädte, Gentrifizierung und Geldanlage irgendwann zum US-Milliardär Warren Buffett und „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.

Feuilleton

Das letzte verzweifelte Schwanz-Rausholen“ (Süddeutsche.de, 5. Oktober 2015): Stefanie Sargnagel mag Wanda nicht. Und auch das neue Album „Bussi“ der Österreicher nicht. Und doch: „Nach sieben Bier tanzt sogar mein Freund Witzmann nackt durch die Wohnung und schreit ‚Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön bei dir!‘, und ich bettel drum, nur noch einmal das Lied mit den Schwestern zu hören, um mich betrunken am Küchenboden zu wälzen.“

Gesellschaft

Alien“ (als „Oh boy, the Germans“ in der SZ, 17. Oktober 2015): Peter Richter lebt in den USA. Und ist dort, wenige Tage nach Bekanntwerden des VW-Skandals, mit Vandalismus an seinem Auto konfrontiert. „Eine Attacke von germanophoben Umweltschützern?“, fragt sich der Journalist. Und nähert sich nach und nach der Geschichte nicht nur deutscher Migranten in der ehemals drittgrößten deutschen Stadt der Welt an.

Sport

Falsche Fans“ (RN Online): Meine ehemaligen Kollegen Nils Lindenstrauß und Björn Althoff haben sich in der vergangenen Sommerpause damit beschäftigt, wo die Trikots eigentlich herkommen. Also die gefälschten, die für 15 Euro und weniger. Natürlich alles mit einem Blick auf den BVB (obwohl zumindest Björn Schalke-Fan ist), aber das ist bei einer Dortmunder Zeitung durchaus verständlich. Auf jedenfall lesens- und sehenswert – ist nämlich eine Multimedia-Reportage (und als eine der wenigen im genau richtigen Maße multimedial).

Reise

Berge des Wahnsinns“ (Die Zeit, 25. Dezember 2014): Tina Uebel ist vermutlich eine schlechte Gonzo-Journalistin. Denn ganz ohne Drogenkonsum beschreibt sie wie im Rausch die Felsformationen des Ennedi-Massivs im Tschad: „’Tschuldigung, ich muss grad mal die Wüstenspringmaus geben. […] Am Horizont zur linken zwei konische Salz-und-Pfeffer-Streuer in Göttergröße, zur rechten ein Kastell, schwebend.“ Wieso das so ist, steht schon in den ersten beiden Sätzen: „Gott muss LSD genommen haben. Am siebenten Tage der Schöpfung schmiss er gen Abend eine Handvoll Trips ein und stellte dann, zur späten Stunde, noch das Ennedi hin.“


Ich bin einer von 806

Dienstag, 2. Februar 2016 um 21:54 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

Kranhäuser Köln

Genau 806 Kölner gibt es, die – wie ich – in Unna geboren sind. Beziehungsweise gab es Ende 2014 laut der Stadt Köln.1 Die hatte, nachdem ich einen entsprechenden Artikel auf der Webseite der Berliner Morgenpost2 gelesen hatte, (vermutlich) auf meine Anfrage hin dankenswerterweise die Daten veröffentlicht.

Heute habe ich es endlich mal geschafft, ein bisschen mit den Daten herumzuspielen. So ist, wenig überraschend, eine von Kölns Nachbarstädten die häufigste Heimatstadt der „Imis„: Aus Bergisch Gladbach kommen gebürtig genau 24.582 Kölner, mehr als doppelt so viele wie aus der zweithäufigsten Heimatstadt Bonn (12.265) oder aus ganz Italien (12.078) oder Russland (11.922). (Weil die Stadt für im Ausland geborene Menschen nur das Geburtsland angibt, liegen die Türkei und Polen mit gut 49.000 bzw. 41.000 Kölnern noch weiter vorne.) Auch im Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und nach Köln gezogenen liegt Bergisch-Gladbach relativ weit vorne: Auf alle viereinhalb Bergisch-Gladbacher (insgesamt gab es laut statistischem Bundesamt zum 31.12.2014 knapp 110.000) kommt ein nach Köln „ausgewanderter“. Zum Vergleich: In Bonn kommt ein nach Köln ausgewanderter auf 25 1/2 Bonner.3

Auf einer Karte sieht das ganze dann übrigens so aus:4

In den Daten der Stadt enthalten ist übrigens auch die Zahl derer, die aus einer bestimmten Stadt nach Köln gezogen sind. Bei mir zum Beispiel wäre das Dortmund, schließlich hatte ich da die Jahre 2013 und 2014 gewohnt. Allerdings gibt es hier einen – zumindest auf den ersten Blick – überraschenden „Sieger“: Meine Heimatstadt Unna. Das scheint, so „Offene Daten Köln“ bei Twitter, kein Fehler zu sein, sondern dürfte vielmehr an der Landesstelle Unna-Massen liegen. Denn dort wurden Jahrzehntelang (bis 2009) Spätaussiedler, jüdische Emigranten, andere Zuwanderer und Flüchtlinge, wie Wikipedia weiß, registriert und betreut, bevor sie in andere Städte weitergeleitet wurden. Und seit 2012 sind in der Landesstelle Flüchtlinge untergebracht. Und augenscheinlich wohnen tausende davon nun in Unna.

Die Daten hat die Stadt Köln unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 DE-Lizenz veröffentlicht, deshalb sind die Daten hinter meiner Karte unter der selben Lizenz. Und: Props natürlich an das Team der Berliner Morgenpost um Julius Tröger für die Berlin-Story – und an Offene Daten Köln für die Daten und die Erklärungen auf Twitter.


  1. Dass ich also strenggenommen in den 806 Menschen gar nicht mitgezählt bin, weil ich erst Anfang Februar 2015 nach Köln gezogen bin, lasse ich jetzt einmal außen vor. 

  2. wo sonst 

  3. Umzüge in die andere Richtung und aus anderen Städten sind nicht mitgerechnet. 

  4. Leider hat das Zusammenfügen der verschiedenen Datenquellen nicht ohne weiteres geklappt, weshalb hier jetzt das Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Kölnern fehlt. Liefer ich aber – hoffentlich – noch nach. Und schöner mache ich die Karte dann auch noch. 


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Junge Leute lesen kaum noch Zeitung. So einfach ist das. Das wird sich wohl auch nicht mehr ändern, auch wenn sich das manch ein Verleger und viele Journalisten wünschen. Und die jetzt jungen werden auch nicht irgendwann anfangen, regelmäßig Zeitung zu lesen. Zumindest nicht in Massen.

So weit, so einfach, so bekannt. Es gibt ja das Internet. Da ist die Jugend unterwegs. Die Generation Y, die Generation Z, die Generation Hashtag. Wer auch immer das sein soll. Aber selbst dort ist sie schwer zu erreichen. Ihre Infos holen sich die jungen Menschen nämlich nicht mehr ausschließlich bei den großen Medienmarken, sondern auf Youtube, Facebook oder wo auch immer. Für die traditionellen Medienmacher eine verlorene Generation. Zumindest in der Theorie.

Und was macht man dann? Man startet eine eigene Seite, die sich an die Jugend richtet. Oder gleich eine ganze Zeitung, deren Werbeslogan schon eine Beleidigung der Zielgruppe ist, und die nach kürzester Zeit wieder eingestampft wird.

Und da sich die Jugend heutzutage ja nicht mehr konzentrieren kann – ihr wisst schon: Messengernachrichten statt seitenlanger Briefe und Listicles statt dicker Wälzer – bietet man ihnen statt Nachrichten lediglich eine schlechte Buzzfeed-Kopie. Dass die Spiegel-Tochter Bento ein „Portal für Babos“ ist, wie es kurz nach dem Start hieß, ist vielleicht etwas übertrieben. Aber die Stories auf der Seite deuten eher selten darauf hin, dass da jemand lange recherchiert hat (und damit meine ich ausnahmsweise nicht googlen). Wobei: Ins Redigat ist die Zeit auch nicht geflossen.

Das Schlimme ist ja, dass Bento vielleicht noch eine der besser gemachten Jugendseiten ist. Zumindest die mit den relevantesten Stories. Das sind meistens die, die auf der Spiegel-Online-Startseite auftauchen und die jungen Leser, die kein Bento brauchen, dorthin holen (oder so). B.You von der Bild und wie sie alle heißen sind ja noch schlimmer.

Nur ein Gegenbeispiel gibt es noch: jetzt.de. Ursprünglich Beilage der Süddeutschen Zeitung, aus der nach der Einstellung die Neon entstand. Und seit Jahren ein Online-Magazin mit angeschlossener Community und regelmäßiger Zeitungsbeilage. Vielleicht nicht der große Wurf. Aber immerhin ein Medium, das seine Leser ernst nimmt. Die, die ernste Artikel suchen und die, die nur mal kurz entspannen wollen.

Die anderen wollen stattdessen wie Buzzfeed sein. Die revolutionieren jetzt sogar mit Kreuzworträtseln eine der letzten Print-Bastionen. Oder immerhin wie die Vice. Aber trotz aller Versuche sind sie halt nicht so cool(TM) wie die Kollegen dort.

Statt etwas Eigenes zu machen, vielleicht auch einmal neue Wege zu gehen, bleiben sie so meist schlechte Kopien.

Aber vielleicht hoffentlich gehöre ich auch gar nicht mehr zur „Generation Hashtag“. Eines habe ich mit den jungen Leuten (darf ich das mit noch nicht einmal 30 überhaupt schon sagen?) allerdings: Ich komme ganz gut ohne die Jugend-Angebote der großen Verlage aus.

Bei mir steht allerdings weniger YouTube auf dem Programm, dafür die Originale, die Bento und Co. meist mehr schlecht als recht kopieren. Traditionelle Nachrichtenseiten wie Spiegel Online. Und


Andere Seiten 3/2015

Montag, 5. Oktober 2015 um 20:18 Uhr; Kategorie Linking. Keine Kommentare.

Politik

Der letzte Europäer (Der Spiegel, 11. Juli): Als ich diese Andere-Seiten-Ausgabe vorbereitet habe, standen hier unter anderem ein wunderbarer Kommentar von Daniel Erk zu den Rechten Übergriffen auf Flüchtlingsheime (Im Land der Angsthasen, Zeit Online, 3. September), ein Tsipras-Porträt von Constantin Seibt (Der Raser, Tages-Anzeiger, 9. Juli) und ein Text darüber, was passieren würde, wenn die Troika nach Berlin käme (Spiegel Online, 19. August). Aber dann habe ich heute diese Reportage, die im Sommer im gedruckten Spiegel erschienen ist gelesen. Und diese Mischung aus Roadmovie, potentieller Aufstiegs-Story und ungläubigem Staunen, dass das alles in Europa passiert, hat mich schwer begeistert. Eine Kostprobe: „Talic findet es richtig, was die Deutschen machen, auch wenn er selbst alle ihre Regeln bricht […] Es ändere nichts daran, dass die Deutschen recht hätten, sagt Talic, im Prinzip. Aber er, Talic, müsse gegen ihre Gesetze verstoßen, damit sich das alles halbwegs lohne.“

Wirtschaft

Consider the Can (The Big Roundtable, 9. Juni 2014): Seit mittlerweile weit über zehn Jahren gibt es in Deutschland Dosenpfand. Und auch in mehreren US-amerikanischen Staaten gibt es das. Robert W. Fieseler beschreibt in seiner ausführlichen Reportage das mitunter komplexe, aber für alle Beteiligten (und eigentlich auch die Unbeteiligten) vorteilhafte System. Schließlich gehört recyceltes Aluminium zu den umfeldfreundlicheren Materialien: „According to Aluminum Association figures, 68 percent of the cans we hold today are made of recycled metal. As an elemental material, sitting on the third row of the periodic table, aluminum cannot decompose into smaller parts. Each can thus faces two paths in its lifespan: to continue on indefinitely in its present form or be reincarnated, regenerated brand new, like Dr. Who, at any period in its existence.“ (Und wohl nicht nur deshalb wird die Dose auch bei Craft-Beer-Brauern in den USA wieder beliebter.

Feuilleton

The Most Timeless Songs of All-Time (Polygraph, 21. August): Kein Scherz: No Diggity von Blackstreet gehört zu den zeitlosesten 90er-Songs, genau wie Oasis‘ Wonderwall oder Iris von den Goo Goo Dolls – allerdings weit entfernt von Smells Like Teen Spirit. Zumindest, wenn man von Spotify-Daten ausgeht. Die hat Matt Daniels ausgewertet und kommt dabei zu interessanten, aber plausiblen Ergebnissen – auch wenn in der Auswertung früherer Jahrzehnte die Beatles, die es auf Spotify nicht gibt, fehlen.

Gesellschaft

The Cold War (Epic Magazine, September): Eigentlich war Dennis Roeper Eisverkäufer geworden, um regelmäßig Kinder lachen zu sehen. Doch dann kam Efrain Escobar und der Kampf um das Kinderlachen von Salem, Oregon begann. Und obwohl Roeper dadurch, dass er mehrere Fahrer beschäftigt, im Vorteil ist, kommt irgendwann der Punkt, an dem auch er sich fragt, ob es noch ums Geschäft geht und ob es das alles wert ist: „Yet Dennis’ tactical success was a pyrrhic victory: one ice cream truck driver chasing another, alarming kids, and losing money in the process. What would happen when Efrain showed up again — another vehicular Gang Bang in front of children?“

Sport

Die absurde Regionalliga (11 Freunde, 27.9.): Die deutsche Regionalliga ist – zumindest seit der Einführung der eingleisigen dritten Liga – eine seltsame Veranstaltung. Da soll der Dorfverein auf einmal gegen Rot-Weiß Essen spielen und natürlich die passende Infrastruktur bereitstellen. Und dann ist die Chance, durch das Nadelöhr in den Profibereich zu kommen, auch noch so klein wie wohl nirgendwo sonst in Europa. Kein Wunder, dass manches Team freiwillig auf den Aufstieg verzichtet, denn: „Es ist eine schöne Liga. Du darfst nur nicht drin bleiben.“ (Toll vor allem wegen der Fotos ist die Campingplatz-Reportage „Alles Eins„, ursprünglich erschienen im 11Freunde Bundesliga-Sonderheft.)

Technik

What is Code (Bloomberg BusinessWeek, 11. Juni): Aufwendig designt (auch wenn es bei mir auf dem Tablet aus irgendeinem Grund nicht fehlerfrei lief), noch aufwendiger geschrieben, und ebenso aufwendig – aber absolut lesenswert – zu lesen: Paul Ford hat für die Business Week in 38.000 Worten aufgeschrieben, was man über das Programmieren wissen muss. Er fängt ganz vorne an („How to type an A“) und kommt dann irgendwann dort an, wo auch ich nicht alles verstehe. Denn: „If coders don’t run the world, they run the things that run the world.“


Wie man (vielleicht) Musik verkauft

Donnerstag, 24. September 2015 um 21:43 Uhr; Kategorie Linking und Thinking. Keine Kommentare.

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Musik ist wertlos – das ist die These von The-Indelicates-Sänger Simon Indelicate1 in seinem doch recht langen, aber absolut lesenswerten Text „Why Your Music Is Worthless (And How To Sell It Anyway))„. Nach ein paar Beleidigungen und Beschimpfungen gegenüber dem Leser, anderen Bands und Musikjournalisten, erklärt er, was er meint. So sei Musik, die bereits existiert, wertlos, weil sie eben da sei. Das hat mit Angebot und Nachfrage, Fix- und variablen Kosten zu tun, und klingt für mich als nicht-BWLer relativ plausibel (wenn auch vermutlich nicht 100%ig wissenschaftlich korrekt). Doch einen Weg gibt es, trotzdem Musik zu verkaufen:

People value music that they are personally connected to and such music is scarce – therefore it is not worthless.

Das kann, so Simon, unter anderem durch Crowdfunding passieren.2

Wo das Plattenverkaufen aber manchmal eben auch funktioniert, dürften die Konzerte sein. Ich weiß zwar nicht, wie viel die Bands an einem Konzertabend verkaufen, den Schlangen am Merch-Stand bei so manchem Konzert (und den Aussagen diverser Bands am Ende ihrer Tour) nach zu urteilen, dürfte die Zahl zum Teil nicht unerheblich sein.

Allerdings funktioniert eine Sache nicht: Im Herbst ein Konzert spielen und dabei die Leute heißmachen auf ein Album, das erst im Frühjahr erscheint.3 Denn wenn die Leute das Album wirklich gut finden, dann wollen sie es haben. Und zwar sofort. Dirk von Gehlen hat das in einem minimal anderen Kontext vor ein paar Monaten auch schon einmal aufgeschrieben.

Denn insbesondere wenn man eine relativ unbekannte Band ist, weiß im Februar keiner. der im September auf dem Konzert war, mehr, dass das neue Album rauskommt. Ich habe von der Vorband auf dem Konzert, auf dem ich gestern war, heute schon den Namen ergooglen müssen, weil ich noch einmal reinhören wollte. Würde ich es hier jetzt nicht niederschreiben, wüsste ich vermutlich in ein paar Monaten nicht mehr, dass Folly and the Hunter in ein paar Monaten ein neues Album veröffentlichen – obwohl mir die Musik eigentlich ziemlich gut gefallen hat.4

Worauf ich hinaus will: Wieso gab es zum Beispiel nicht die Möglichkeit, das Album vorzubestellen – oder gleich Crowd-zu-funden5? Denn nicht jeder schreibt ein Blog. Die mögliche Folge beschreibt Dirk von Gehlen:

Ich bin interessiert, ich mag das Produkt, ich würde es kaufen. Was mehr kann man verlangen? Was mehr kann bis zum 22. August passieren als das: Ich werde das vermutlich tolle Album vergessen.

Noch ein Hinweis zu Simon Indelicates Text. Der liefert die vermutlich beste Beschreibung und Erklärung, warum Crowdfunding funktioniert:

 You remember that your fixed costs were what it cost you to make the first one of something and the marginal costs were what it cost to make the second? And that it was an unbreakable rule that no one cared about your fixed costs?

Crowdfunding works because it breaks that rule.

Because you are not selling a product but the opportunity to live in a world where that product exists – you have performed the impossible feat of moving all of your fixed costs into the marginal costs column.

Suddenly, the cost of the second item is the same as the first, because if you don’t sell both, then neither will be made.

Der Text ist also vermutlich nicht nur für ambitionierte Musiker, sondern auch für alle anderen Medien- und Kulturschaffenden interessant.


  1. Den ich für die Rückseite auch schon über die Monarchie ausgefragt habe 

  2. Darüber habe ich mit ihm und seiner Bandkollegin Julia schon vor Jahren mal für Indiestreber gesprochen

  3. Also es funktioniert schon. Nur die CD verkauft man so vermutlich nicht. 

  4. Ich werde mir das Album vermutlich trotzdem nicht kaufen, weil die Musik auf Platte nicht so gut funktioniert wie live. Aber das ist ein anderes Thema. 

  5. Gibt es dieses Verb? 


#twitterwirkt (zumindest ein bisschen)

Donnerstag, 10. September 2015 um 20:30 Uhr; Kategorie Thinking. Keine Kommentare.

Jede Woche twittert die Redaktion des Magazins der Süddeutschen Zeitung, was es in der aktuellen Ausgabe zu lesen gibt. Auch vor zwei Wochen.

In der Woche waren gleich mehrere Sachen dabei, die mich interessiert haben. Und zwar so sehr, dass ich mir die Ausgabe gekauft hatte. Schließlich war ich Samstags auch noch eine Stunde unterwegs mit dem öffentlichen Nahverkehr.

So hatte ich also die Süddeutsche Zeitung vom 30. August samt SZ Magazin. Gelesen habe ich gedruckt allerdings nur ein paar wenige Artikel – und zwar erst in dieser Woche, als mir einfiel, dass da ja noch was war. Denn das – übrigens durchaus empfehlenswerte Interview mit Martin Mosebach und Navid Kermani gibt’s ja auch online.

(Dieser Text ist ein Update zu diesem Text von vor gut drei Jahren – wobei auch mir nicht klar ist, was das alles jetzt zu bedeuten hat.)


Warum Köln (trotz allem) eine tolle Stadt ist

Sonntag, 6. September 2015 um 21:01 Uhr; Kategorie Linking. Keine Kommentare.
Die Kölner Severinsbrücke

Die Kölner Severinsbrücke

Vor einem guten halben Jahr bin ich – der eine oder andere wird es mitbekommen haben – nach Köln gezogen. Die Stadt, die anscheinend vor allem eines kann: sich blamieren. Der Stadt gewordene Hamburger SV.1

Die letzten größeren Peinlichkeiten dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben. Deshalb nur so viel: Wir dürfen erst im Oktober unseren neuen OB wählen – und haben die Wahl zwischen dem SPD-Kandidaten, der sein Ratsmandat verlor, weil bei der Kommunalwahl der CDU- und der SPD-Stapel vertauscht wurden und der bisherigen Sozialdezernentin, die von quasi allen anderen Parteien aufgestellt wurde. Beide versprechen aber mehr oder minder, dass mit ihnen endlich Schluss ist mit dem Chaos.

Aber will Köln überhaupt ein Ende? Oder ist das Chaos nicht so Kölsch wie, nun ja, Kölsch? So in etwa argumentiert auf jeden Fall Wirtschaftswoche-Mann Bert Losse, und hat nicht ganz Unrecht:

Der Kölner ist herzlich, ein bisschen ungezogen und etwas zu laut; er ist niemals nachtragend, er ist das Augenzwinkern in Menschengestalt. […] Da können die die OB-Wahl meinetwegen auf Dezember 2017 schieben.

Also ich fühle mich hier jedenfalls pudelwohl.

(Auf den vermutlichen Kern des Problems, dessen Auswirkungen in Köln anscheinend regelmäßig besonders deutlich werden, weist Christoph Bieber hin: Wahlleiter üben diesen Job in Deutschland grundsätzlich nicht hauptberuflich aus.)


  1. Oder Galatasaray Istanbul. Wobei ein Ex-Kommilitone eine Verbindung namens „Podolski“ sieht zwischen den neuesten Peinlichkeiten in Köln und dem Großkreutz-Dabakel in der türkischen Hauptstadt. 


Zu Besuch in der Flora Köln

Montag, 24. August 2015 um 21:41 Uhr; Kategorie Linking. Keine Kommentare.

Ein halbes Jahr wohne ich mittlerweile in Köln. Im vergangenen Jahr habe ich dann auch mal mit dem Touri-Programm angefangen. Auf dem Programm unter anderem: Die Flora, der botanische Garten von Köln.

In der Flora

Definitiv einen Ausflug wert!


Two hours after the bomb explodes in Oslo, Adrian Pracon hears two sharp bangs, like a hammer striking metal. The noises come from the lawn down the hill, between the main white building and the jetty where the ferry docks.

Heute vor genau vier Jahren wurde in Oslo und Utøya in Norwegen einer der schlimmsten Terroranschläge Europas verübt. Auf der kleinen Insel Utøya tötete Anders Breivik 69 Menschen – vor allem Jugendliche. Sean Flynn hat für seine Reportage mit den Überlebenden und Angehörigen gesprochen. Ohne voyeuristisch zu werden, gibt er unglaublich genau und beklemmend wieder, wie die sich gefühlt haben.

The girl laughs and Adrian laughs, and then they laugh about their water-wrinkled fingers and the cabaret scheduled for tomorrow night that probably won’t happen, and they keep laughing, because there is nothing else to do until someone finally gets them off Utoeya.

„Is he coming? Is he? Oh God, I think he is.“ (Sean Flynn für GQ.com, Juli 2012)


Andere Seiten 2/2015

Donnerstag, 2. Juli 2015 um 21:31 Uhr; Kategorie Linking. Keine Kommentare.

Meine To-Read-Liste ist zwar immer noch ewig lang, aber in den vergangenen Monaten haben sich auch so genügend Artikel angesammelt, die ich gerne mit euch Teilen möchte.

Politik

Reihe 7 Platz 88“ (Tobias Haberl im SZ Magazin 19/2015): Was macht ein Staatsfeind und Rechtsextremer im Europaparlament? Tobias Haberl versucht das anhand von Udo Voigt, der dort für die NPD sitzt und den er ein ganzes Jahr begleitet hat, zu erklären. Und nähert sich dabei seinem Protagonisten mit dem nötigen Respekt. Aber ohne dabei einen Zweifel zu lassen, was von Voigt zu halten ist. (Auch im Europaparlament anzutreffen ist Bernd Pösselt. Und das, obwohl er nicht gewählt wurde. Christian Deutschländer hat Pösselt im Merkur sehr lesenswert porträtiert.)

Wirtschaft

This is the Story of the Hamburger“ (Benjamin Wallace für Grubstreet, 31. Mai): Alles, was ich schon immer über Hamburger und ihren Wandel vom unansehnlichen Fast Food zur angesehenen Haute Cuisine wissen wollte. Samt Saucen-Rezepten, die ich mal ausprobieren sollte. Und der Frage aller Fragen: „Wherein lies a burger’s burgerness?“

Gesellschaft

Oh Gott, ich bin schwul“ (Philip Hauner in der Neon 3/2014, online seit 13. April 2015): Philip Hauner ist schwul. Und hat in Bayern fünf Beichtstühle besucht und mit den Priestern seine Homosexualität ergründet. Und ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Schlechte („Es ist natürlich eine Sünde, jedes Mal“) wie gute („Letztlich hat Gott Sie so geschaffen, das dürfen Sie schon einmal ganz positiv sehen. Und er hat keinen Fehler gemacht, als er Sie in die Welt gesetzt und gerufen hat und ­ausgestattet hat mit der Fähigkeit zu lieben.“).

Sport

A League of His Own“ (Tariq Panja, Andrew Martin und Vernon Silver für Bloomber Business, 30. April): Eines der bestimmenden Themen der letzten Wochen war ja der Fifa-Skandal. Und schon bevor der losging erschien dieser Text, der lang und breit erzählt, was alles im Argen liegt. Denn eigentlich wusste man das ja schon vorher.

Kultur

Khamenei neben Elvis“ (Charlotte Wiedemann im Monde Diplomatique, 7. Mai): Im Islam sind Bilder Mohammeds verboten? Nicht, wenn man die Iraner fragt. Dort kommt bald eine neue Film-Trilogie über den Propheten mit einem Budget von 30 Millionen Euro heraus. Dafür gibt es zum Beispiel Auflagen, wie Khomeini und Khamenei dargestellt werden dürfen. Christine Wiedemann beschreibt eindrücklich die Macht von Bildern – sowohl im Guten wie auch im Schlechten.

Medien

The Eternal Return of Buzzfeed“ (Adrienne LaFrance and Robinson Meyer für The Atlantic, 15. April): History repeating: Vor Buzzfeed kamen MTV, USA Today und noch früher das Time Magazine. Sie alle revolutionierten den Journalismus ihrer Zet. Adrienne LaFrance und Robinson Meyer erzählen die US-amerikanische Mediengeschichte der letzten Jahrzehnte an vier jeweils neuartigen Medienmarken, die viel miteinander gemein haben.

Wissenschaft

The strange fate of a person falling into a black hole“ (Amanda Gefter für BBC, 25. Mai): Wie fühlt sich das an, in ein schwarzes Loch gesogen zu werden? Bislang gibt es niemanden, der das ausprobiert hat – und wenn, dann könnte er nicht erzählen, wie es war. Amanda Gefter versucht es trotzdem – mit dem Wissen, das die Physik heute hat. Das wichtigste und seltsamste: „The instant you entered the black hole, reality would split in two.“

Technik

How does a visually impaired computer programmer do programming? „(Quora): Äußerst selten lande ich mal auf der Frage-und-Antwort-Seite Quora. Aber als ich irgendwann einen Link zum Thema, wie man als sehbehinderter Mensch programmiert, gesehen hat, war ich begeistert. Nicht nur davon, dass (und wie) das geht, sondern auch davon, wie offen und ehrlich Betroffene und Kollegen sehbehinderter Programmierer von ihren Erfahrungen berichten.