Jede Woche erscheinen Hunderte, Tausende, Hunderttausende Artikel im Internet. Ich persönlich schaffe davon höchstens eine zweistellige Summe. Früher, vor Beginn meines Volontariats, habe ich die Leser des Rückseite-Magazins jede Woche an den besten Entdeckungen teilhaben lassen, und zwar unter dem Titel "Andere Seiten". Auch wenn ich aus diversen Gründen diese wöchentliche Netzschau eingestellt habe, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, wenigstens die besten Artikel des Jahres (genau wie 2012) vorzustellen. Ganz subjektiv, natürlich. Und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Im Juli wurde das "neue" Asylgesetz 20 Jahre alt. Die Panorama-Redaktion erinnerte in einem tollen Kommentar daran, dass seine Einführung ein Sieg der Rechten war.
Auch die deutschen Medien haben über Edward Snowdens Enthüllungen geschrieben - ein solch großartiges Multimediales Paket hat aber nur der Guardian hinbekommen. Und dabei nicht, wie es zu häufig bei Multimedia-Storys passiert, mit technischen Schnick-Schnack übertrieben.
Zuerst ist es nur ein lustiges Wortspiel. Klar, man geht in's Wahllokal, um am Wahllokal zu wählen. Aber was reden die Menschen kurz vor der Bundestagswahl eigentlich in der Kneipe ihrer Wahl? Lucas Vogelsang hört und sieht eine Woch lang in der "Quelle" in Berlin-Moabit mal genau hin. Und trifft dort auf die unterschiedlichsten Menschen, die zwar zum Teil politisch sind - sich aber nicht für Politik interessieren: "Immer dasselbe. Ein Spiel. Ein Zeitvertreib. Bis sie im Morgengrauen nach Hause gehen. Am Sonntag werden sie alle wiederkommen, ihr Kreuz machen. Am Sonntag wird in der Quelle Bingo gespielt."
Ebenfalls um die Bundestagswahl geht es im vielleicht besten Stück politisches Feuilleton, dass dieses Jahr geschrieben wurde. Und von wem? Nils Minkmar, natürlich. Der Feuilleton-Chef der F.A.Z. nahm eine Woche vor der Wahl die Werbespots der CDU zum Anlass, einmal ganz grundsätzlich über Deutschland nachzudenken: "Der Burn-out ist das Syndrom unserer Zeit. Und das ist keine individuelle, sondern eine politische und soziale Diagnose. Historische Lasten wurden bewegt, aber sie waren nicht gleich verteilt. (...) Sie träumen von Landlust, Wanderungen, Rückzug und 'Mal was ganz anderes machen'." Und, so Minkmar weiter, das merkt man an den Wahlprogrammen. Leider.
Der beste Burger, den ich jemals bei McDonald's gegessen habe: Der Teriyaki McBurger in Japan. Foto: CC BY 2.0 von Busy Printing
Unter der Stichzeile "One McWorld - One McDream" stellt sich Jeb Boniakowski vor, wie ein riesiges McDonalds-Zentrum aussehen könnte mit Fillialen aus aller Herren Länder. Denn: "Everyone talks about how globalization 'McDonalds-izes' the world, but the funny thing about a place like New York is that you can get basically every kind of food *except* whatever they serve at the foreign outposts of our proud American chains." Ich persönlich finde die Idee auch ziemlich großartig, denn die McDonalds-Fillialen eines Landes sagen in ihren Details sehr viel aus über die Menschen vor Ort.
Nochmal Nils Minkmar. Der kommt aus dem Saarland, dem kleinen Bundesland fast in Frankreich. Und dort gibt es (natürlich) auch einen Tatort. Dem sieht man in jeder Minute an, dass der Saarländische Rundfunk zu den ärmsten Rundfunkanstalten gehört (auch wenn Hauptdarsteller Devid Striesow sehr gut spielt). Die Striesow-Premiere nahm Minkmar auf eine ziemlich großartige Weise auseinander. Besonders missfiel ihm, wie selten das Saarland in dem Tatort eine Rolle spielte. Nämlich ein einziges Mal: "Der Baumarktleiter bemerkt, heute sei 'ein guter Tag zum Schwenken' - der Zubereitung von Grillgut auf einem von drei verbundenen Stangen herabhängenden, an einer Kette über der Glut hin und her schwenkenden Rost. Gerade dieser einzige saarländische Satz ist aber sinnlos, denn im Saarland ist jeder Tag ein guter Tag zum Schwenken."
Vermutlich die beste Reportage, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Maris Hubschmid trifft Silke Schulz und schreibt über ihre Geschichte, in der es um krankhaftes Lügen geht. Schulz erzählt ihr von ihrem Noch-Ehemann Frank und seinen Lügen: "Freunden gegenüber schwärmt Frank von Städten und Restaurants, in denen er nie gewesen sein kann. Mal sagt er 'Deine Cousine lässt schön grüßen', obwohl er nicht mit ihr gesprochen hat. Oder er berichtet von Einbrüchen und Begegnungen in der Nachbarschaft, die nicht stattgefunden haben. 'Ich habe alles eingekauft', sagt er, wenn sie von unterwegs anruft. Als sie nach Hause kommt, ist der Kühlschrank leer." Am Ende, soviel sei verraten, ist es aber doch ein bisschen anders.
Rechte Fußball-Fans sind zwar nicht nur Italien ein Problem, aber unbestritten ist es dort schlimmer als etwa in Deutschland. Wright Thompson versucht herauszufinden warum. Er trifft sich mit den Fans, die immer, wenn Boateng, Balotelli oder andere nicht-weiße Spieler am Ball sind, Affenlaute von sich geben. Verstehen kann er sie - wen wundert's - nicht wirklich. Es scheint auf jeden Fall mit Italiens nicht wirklich aufgearbeiteten Vergangenheit unter Mussolini zu tun zu haben. Am Ende bleibt Thompson, und mit ihm der Leser, etwas ratlos zurück - aber nicht ganz ohne Hoffnung: "Italy is in crisis. I think that's safe to say. Something new is arising out of something old. I don't know whether it's a first breath or a last gasp. James Walston, the professor, thinks all the racial abuse is a sign that Italy has changed, and this is a defiant last stand before a multi-cultural society emerges. Maybe he's right. I don't know."
Rätselhafte Stadt: Pjönjang, Nordkorea. Foto: CC BY-NC-SA 2.0 von Fraser Lewry
Nordkorea ist jedem Außenstehenden ein Rätsel. Schließlich gibt es kein anderes Land, dass so sehr nach Außen abgeschottet ist wie das Reich Kim Jong Uns. Entsprechend interessant sind auch Reisereportagen aus Nordkorea. Vor allem, wenn der Autor Dinge tut, die an anderen Orten auf der Welt reichlich profan sind. Einen Trinken gehen zum Beispiel. Oder zu versuchen, die Reiseführerin zum Lachen zu bringen, wie es Michael Malice in Reason beschreibt.
Noch ist es erst in wenigen amerikanischen Bundesstaaten und Orten zugelassen: Googles sich selbst steuerndes Auto. Ein paar Jahre wird es wohl noch dauern, bis man es häfiger sieht - und noch länger, bis es auch auf Deutschlands Autobahnen fährt. Aber umso interessanter ist es, jetzt schon zu lesen, was heute bereits möglich ist, und was die Autohersteller dazu sagen. Die sind nämlich alles andere als überzeugt vom Google-Auto.